Hätten wir doch bloß vorher drüber gesprochen … für ihn war es selbstverständlich, dass er den Trauring an den Ringfinger der rechten Hand steckt, aber sie streckt ihm die linke entgegen. Glücklicherweise war der kurze Moment des Zögerns schnell überspielt, und wohl keiner der Gäste hat es bemerkt. Aber wer hat nun Recht? Ehering rechts oder links?
- van Grinsveen, Annelies (Autor)
Tradition ist Ländersache
Ginge es um eine Mehrheitsentscheidung in Deutschland, bekäme der Bräutigam der oben geschilderten fiktiven Hochzeit fraglos Unterstützung – bei uns ist immer noch die rechte Hand der passende Platz für den Ring, der den Bund der Ehe besiegelt. Links trägt man den Verlobungsring. Gleiches gilt zum Beispiel für Österreich, Polen, Bulgarien und Russland. Aber vielleicht stammt die Braut aus einem anderen Kulturkreis? Bei vielen Paaren in Frankreich, der Schweiz und dem Mittelmeerraum sitzt der Ehering ganz selbstverständlich links. Auch in Nordamerika und vielen weiteren Überseestaaten ist der bevorzugte Ringfinger links. Weltweit sind die Linksträger sogar in der Mehrheit. Und jede Fraktion kann sich auf eine Begründung berufen, warum ihre Entscheidung die richtige ist.
- Die Liebesader: Medizinisch nachgewiesen hat die Vena Amoris wohl noch niemand, aber Ägypter und Griechen glaubten fest, sie verliefe in der linken Hand. Klar, dann muss der Ring auch dorthin, an den Herzensfinger. Den Glauben an die Liebesader hatten auch die Germanen. Vielleicht war es eine falsche Überlieferung, vielleicht auch ein anderer Ursprung ihrer Überzeugung – aber sie verorteten das geheimnisvolle Blutgefäß rechts.
- Religion und Reformation: „Herr, deine rechte Hand tut große Wunder“, heißt es im zweiten Buch Mose. Generell gilt bei uns die rechte Seite als gut, die linke als schlecht – außer in Köln, wo die rechtsrheinischen Stadtteile als die „Schäl Sick“, die falsche Seite des Rheins bekannt ist, weil der Dom nun mal linksrheinisch erbaut wurde. Wenn die bibeltreuen Katholiken also ihren Trauring rechts tragen, müssten ihn die Protestanten – als sichtbaren Zeichen ihrer abweichenden Auffassung – an den linken Ringfinger stecken. Schade nur, dass diese Theorie nicht mit der Praxis übereinstimmt. Viele der oben genannten Links-Länder sind katholisch geprägt.
Eine praktische Überlegung
Beim Rechtshänder wird ein rechts getragener Ring stärkeren mechanischen Belastungen ausgesetzt. Das macht sich vor allem bei den beliebten Gelbgold-Ringen bemerkbar, denn das Material ist vergleichsweise weich. Es kann beabsichtigt und sogar gewünscht sein, wenn sich die Zeichen des gemeinsamen Lebens im Ring wiederfinden. Dann behaltet den Ring gern an der rechten Hand. Der Verlobungsring bleibt entweder links oder wandert als Vorsteckring hinüber. Möchtet ihr den Glanz des Rings wie am Hochzeitstag erhalten, ist die linke Hand der bessere Platz. Es ist mittlerweile auch akzeptiert, den Ehering nicht mehr ständig zu tragen und ihn dadurch vor Kosmetik, Reinigungsmitteln und ähnlichen Einflüssen zu schützen.
Ihr könnt euch nicht einigen? Müsst ihr auch nicht. Dann trägt eben jeder den Ring dort, wo er seine Vena Amoris vermutet. Oder an einer Kette um den Hals, direkt über dem Herzen.
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